Der Machtkampf mit meinem “Pubertier“

Die meisten Jugendlichen haben heutzutage Stress, auch wenn sie sich den nicht anmerken lassen! Sie müssen sich von der unbeschwerten Kindheit verabschieden, immer mehr wird von ihnen verlangt, sie sollten Verantwortung übernehmen. „Neben der Freude über neue Freiheiten und Kompetenzen stehen die Angst vor dem Unbekannten und die Unsicherheit, ob man in der Lage sein wird, alles zu meistern.“ schreibt dazu Jan-Uwe Rogge, der Erziehungs-Experte. Dazu kommt die große Veränderung des Körpers – nichts ist mehr so wie es scheint, die Gefühle geraten außer Kontrolle und es ist keine Besserung in Sicht…

Was tun?

Um die Anforderungen im zukünftigen Erwachsenendasein bewältigen zu können, ist häufig eine Entscheidungsfähigkeit gefragt – diese muss sich natürlich entwickeln. Eltern können nicht jahrelang alle Entscheidungen für die Kinder und Jugendlichen treffen und ab einem bestimmten Zeitpunkt sollen sie diese dann komplett alleine schaffen. Diese Kompetenz muss geübt werden – auch Fehler sind dabei oft sehr lehrreich. Ein besserwisserisches ‘das hab ich dir ja gleich gesagt‘ ist da nicht sehr hilfreich – der Ärger darüber würde den Lerneffekt zunichte machen. Ein mitfühlendes und vor allem ehrliches ‘tut mir leid, dass es nicht geklappt hat‘ zeigt der/m Jugendlichen, dass er trotz Misserfolg nicht alleine dasteht. Wenn Mutter/Vater dann noch anfügt ‘beim nächsten Mal wird’s bestimmt funktionieren‘ stimmt ihn oder sie das zuversichtlich und mutig für eine nächste herausfordernde Situation.

Wichtig ist laut Jesper Juul, dem bekannten dänischen Familien-Therapeuten, dass Jugendliche die natürliche Konsequenz der Handlungen erfahren sollen. Nicht die Eltern sollen Versäumnisse ausbaden und dann verärgert dem Teenager vorwerfen. Die Jugendlichen können aus Fehlern nur lernen, wenn sie die Konsequenzen selbst spüren – durch Vorträge und Drohungen liegt der Lerneffekt bei null, aber die Beziehung leidet darunter. Deshalb empfiehlt Juul Grenzen klar zu setzen und konsequent zu sein in der Umsetzung von Regeln. Das kann natürlich zu Konflikten führen…

Konflikte schaden nicht per se

Konfliktvermeidung ist nicht die optimale Strategie für eine gute Entwicklung. Wenn Konflikte ausgetragen werden, lernt ihr Teenager für die eigenen Bedürfnisse einzustehen. Viele Fähigkeiten werden geübt: ausreden lassen, argumentieren, Wünsche formulieren, eine andere Sichtweise einzunehmen, auf andere Rücksicht nehmen, …

Wenn Verletzungen vorgefallen sind, ist es manchmal jedoch nicht mehr möglich, eine gute Gesprächskultur zu leben. Vermeintlich kleine Streitereien entwickeln sich dann zu unlösbaren Problemen. Es ist kaum mehr Kommunikation möglich ohne starke Emotionen. Die Familienmitglieder gehen sich aus dem Weg. Ein Herauskommen aus der Situation ist aus eigener Kraft nicht mehr zu schaffen. Eine neutrale dritte Person – wie zum Beispiel eine Mediatorin/ein Mediator – kann in diesem Fall Unterstützung anbieten. Er oder sie würde in angenehmer Atmosphäre die Bedürfnisse klären, die hinter den Vorwürfen stehen. In wertschätzender Art und Weise wird ein Modell vorgezeigt, das einen konstruktiven Umgang mit Konflikten zulässt. Mit dem Ziel, aus der Situation zu lernen und zukünftig besser mit Konflikten umgehen zu können. Alle Beteiligten entwickeln dabei ihre Konflikt- und Kommunikations-Kompetenzen weiter und gehen gestärkt aus diesem bewältigten Konflikt heraus.

Damit es nicht so weit kommt

Natürlich möchten Eltern eine Konflikteskalation vermeiden und bekommen Herausforderungen gerne selbst in den Griff. 5 Tipps für eine bessere Stimmung im Haus mit Jugendlichen:

  • Nein sagen und konsequent sein 
  • Grenzen klar setzen und einhalten
  • Konstruktiver Umgang mit Konflikten
  • Vertrauen schenken und aussprechen
  • Loslassen aber nicht fallenlassen

“Wer sich löst und in die Welt hinauszieht, wer Freiheit entdeckt und Vertrautes zurücklässt, der braucht Sicherheiten (…) und 2 Dinge: das Gefühl, bedingungslos angenommen zu sein und Rituale“, denn „die Macht des Gewohnten gibt in unsicheren Zeiten Sicherheit!“ (J.-U. Rogge)

Vergessen Sie nicht, die Entwicklung von Kindern läuft nicht geradlinig – mal machen sie große Sprünge, dann geht’s wieder ein klein wenig zurück oder legen eine schöpferische Pause ein. Zudem hat jede Familie ihre Eigenheiten und Regeln. Jedes Kind ist einzigartig und hat auch mit seinen individuellen Herausforderungen zu kämpfen. Daher gibt es kein allgemeingültiges Regelwerk für die Pubertät oder generell für die Erziehung. Individuelle Unterstützung bieten Familien-Beratungsstellen oder Therapeuten sowie Coaches. Bei wiederkehrenden Konflikten empfehlen wir FamilienMediation hinzuzuziehen.

Ursula Brandner, Oktober 2021


* Literaturhinweise:

Jesper Juul (2010). Pubertät – wenn Erziehen nicht mehr geht. Kösel Verlag.

Jan-Uwe Rogge (2014). Der große Erziehungs-Check. Klett-Cotta Verlag.

Annegret Noble-Fischer (2009), Maulende Rebellen, beleidigte Zicken – Der Erziehungscoach für Eltern. Ariston Verlag.

Kategorien: Familienmediation